Ein Plädoyer für Vorbildtreue und erfolgreiche Rennen
Ich möchte hier mal ein ganz zentrales Thema zur Diskussion stellen, das unmittelbar den wichtigsten Grundgedanken von 152VO betrifft: die Modellgeschwindigkeit. Der allererste 152VO-Grundgedanke lautete: "freundschaftliche Vintage-Outboard-Rennen mit einem schönen, vorbildgetreuen Rennfeld auf dem Wasser."
Um diese möglichst hohe Vorbildtreue zu erreichen, bauen wir originalgetreue Boote, bauen viele originale Details nach, setzen vorbildgetreu gekleidete Figuren rein, benutzen funktionsfähige Außenborder. Wenn die Modelle dann jedoch auf dem Wasser deutlich schneller (oder auch deutlich langsamer) als die Vorbilder unterwegs sind, sieht es trotzdem sofort recht seltsam bzw. ziemlich "unecht" aus.
Wir haben viel gelernt in letzter Zeit. Wir verstehen die Vorbilder immer besser, unsere Antriebe und hydrodynamischen Konzepte werden besser. Wir erzielen deutlich höhere Geschwindigkeiten bei gleicher Motorleistung. Das ist wichtig und richtig, um die Grenzen der Rümpfe auszuloten und Erfahrungen zu machen. Es gibt aber eine Sache, die noch wichtiger ist: 152VO ist eine vorbildgetreue Rennklasse - wir müssen auf dem richtigen Weg bleiben. Und der lautet: keine Rennkarnickel-Klasse, kein Speed um jeden Preis, keine zu hohen Leistungsunterschiede, kein Spezialistentum, dass Neueinsteiger immer mehr abschreckt, sondern: "ein schönes, vorbildgetreues Rennfeld auf dem Wasser".
Was bedeutet eigentlich "vorbildgetreue Geschwindigkeit"? Schauen wir uns doch mal die Originale an (das machen wir beim Bau ja auch sehr akribisch). Eine vorbildgetreu wirkende Geschwindigkeit ergibt sich aus der Originalgeschwindigkeit, geteilt durch die Wurzel des Maßstabsnenners. Konkret: im Maßstab 1:5,2 muss man die Originalgeschwindigkeit durch 2,28 teilen (= Wurzel aus 5,2), dann entspricht das Fahrbild dem des Originals. Werfen wir nun einen Blick auf die
Originalgeschwindigkeiten:
- Ein BU Stock Runabout (entsprechend unseren
schnellsten Booten der Division "VO Utility" wie z.B. FooLing, Speedliner, Airborne, Mosquito, etc.) erzielte Mitte der 50er Jahre im Straightaway eine Rekordgeschwindigkeit bis zu max. 53,7 mph (85,9 km/h). Umgerechnet auf VO-Utility sind das 37,7 km/h vorbildgetreue Geschwindigkeit!
- Ein B-Hydro (Alky) als schnellster Vertreter unserer Division "VO Hydro" erzielte max. 64,2 mph (102,7 km/h) = 45,0 km/h vorbildgetreue Modellgeschwindigkeit! In den Stock-Klassen BSH (B Stock Hydro) wurden nur max. 60,5 mph (= 96,8 km/h) erzielt, also 42,4 km/h max. Modellgeschwindigkeit.
- Ein DU (entsprechend VX-Utilities wie MadCap, Airborne VX, etc.) erzielte max. 59,4 mph bzw. in den Alky-Klassen (C Racing Runabout) 63,6 mph. Im Modell bedeutet das: max. 41,7 km/h für eine Madcap oder Airborne VX mit MARK 55-H am Heck bzw. theoretische 44,6 km/h für einen entsprechenden Alky (dafür haben wir momentan aber noch kein passendes Modell).
- Ein D Stock Hydro / DSH (entsprechend VX-Hydro) erzielte max. 69,7 mph (111,5 km/h). Die richtig wirkende Geschwindigkeit für eine 152VO-BenHur oder Wetback wäre also max. 48,9 km/h. Nur die F-Hydros (Alkies) waren noch eine Idee schneller: eine Airmarine Special wäre im Modell auch noch mit max. 54,6 km/h vorbildgetreu - allerdings nur beim Rekord-Straightaway, nicht im Closed Course-Rennen. Dort erzielte eine Airmarine auch "nur" max. 64 mph = 44,9 km/h Modellgeschwindigkeit.
Fällt euch an dieser Stelle etwas auf? Unsere "langsamste" Division (VO-Utility), in der selbst die Cottage Racer mitfahren, ist mittlerweile in Geschwindigkeitsbereiche vorgedrungen, die beim Original nur mit den allerfettesten Alkys bei Straightaway-Rekordmessungen zu erreichen waren. Allerdings um den Preis, dass diese VO-Utilities dann nicht mehr "echt" aussehen und in einem Rennen kaum noch fahrbar sind: die Flipanfälligkeit wächst ab einer bestimmten Geschwindigkeit drastisch. Ein solches Boot wird - bei allem Verständnis für die Topspeed-Experimentierfreude - kaum eine Chance haben, auch nur einmal ins Ziel zu kommen.
Wie ist das hinsichtlich der Entwicklung von 152VO zu bewerten? Ich möchte mich hier in aller Absicht jeder Wertung enthalten, sondern lediglich ein paar Gedanken von Rod, dem Spezialisten mit satten 50 Jahren Rennerfahrung auf Originalen
und auf RC-Rennbooten, entgegenstellen:
1.) "In order to finish first, first you must finish". ("Um als erster im Ziel zu landen, musst du erst einmal im Ziel landen").
Ein Boot, das extrem schnell ist, aber sehr flipgefährdet, wird nicht im Ziel landen, weil es vorher ausfällt. Unsere Boote sind nicht selbstaufrichtend - ein Flip bedeutet also "DNF" (did not finish), ergo null Punkte aus diesem Lauf.
2.) "Wenn du in 4 Rennen jedesmal ins Ziel kommst, ist deine Position im Rennfeld völlig egal - du wirst du unter Garantie auf dem Siegertreppchen landen."
Diese Aussage hat mich spontan sehr überrascht, ist aber bei nochmaligem Nachdenken recht plausibel. Wenn du in 4 Rennen z.B. auf Platz 10-15 landest, wirst du Punkte aus allen 4 Rennen erhalten. Wenn du in nur einem Rennen ausfällst (flippst), wirst du den Punktverlust in 2 Rennen nicht wieder reinfahren.
3.) "Rennen werden nicht auf der Geraden, sondern
nur in Kurven gewonnen."
Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Nach dem Start rasen 5-6 Boote auf die erste Boje zu, die sie nahezu zeitgleich erreichen - ein neuralgischer Punkt im Rennen! Wer als erster an der Boje ist, der kann sich seine Idealbahn in der Kurve UND in der nachfolgenden Geraden selber wählen - alle anderen müssen ihn umfahren. Rod erzählte: "Wenn du als Verfolger deinen Kontrahenten auf der Außenspur überholen willst, musst du im Durchschnitt(!) 6 mph schneller sein als er, um auch nur gleich schnell zu sein! Wenn dein Boot in den Kurven nicht stabil fährt, wirst du niemals auf der Geraden aufholen können, egal wie schnell du bist."
4.) "Ich sehe den Spass bei Bootsrennen darin, Bootsrennen zu fahren - und nicht im Rettungsboot zu sitzen."
Das ist selbsterklärend und muss nicht erklärt werden. Wenn wir keine "Rettungseinsätze" während eines Laufs haben, werden wir
alle am allermeisten Spass haben... Bergebootfahren und Unterbrechungen nerven.
Warum schreibe ich das alles? Ich möchte ganz sicher nicht als der "Typ mit dem erhobenen Zeigefinger" wirken. Dazu finde ich die ganze Entwicklung viel zu spannend und dieses langsame fortschreitende "try+error" viel zu lehrreich, um irgendjemanden runterbremsen zu wollen. Ich möchte nur folgendes
anregen:
- behaltet den Grundcharakter von 152VO im Auge!
- Baut Boote, die zwar durchaus fix, aber
in allererster Linie stabil und sicher laufen! Ein unkontrollierbarer Flip gefährdet immer auch andere Boote - denkt an die vielen Stunden Bauzeit eurer Kollegen!
- Lasst euch nicht von den letzten km/h erreichbaren Speeds blenden - die Vorbildtreue, die Sicherheit der anderen Boote(!) und der
gemeinsame Spass im Rennen leiden darunter.
- Der Yardstick ist lediglich eine maximale OBERGRENZE, die nicht überschritten werden darf - aber kein Wert, der unbedingt erreicht werden muss.
Wenn ein Boot bei gegebenem Yardstick nicht mehr stabil läuft, dann passt er eben nicht zu diesem Rumpf. Dann müssten wir entweder den Yardstick senken (fände ich keine gute Lösung) oder - viel besser - uns allen nochmal vor Augen führen: wir sind keine Konkurrenten, sondern "Kollegen", die gemeinsam Freude an Vorbildtreue und 50er-Jahre-Flair haben wollen, aber nicht an Höchstleistung interessiert sind. Und: in allen Rennen zusammen kannst du eh nur max. 1600 Punkte von insgesamt 6000 erreichen. Die wirklich wichtigen 4400 Punkte kommen aus den Votings - was nützt da allein ein schnelles Boot!? Ein Modell-BU wird mit originalgetreuen 38 km/h stabil und "flipfrei" laufen - und es sieht auch noch viel besser aus. So ein Boot ist ein viel realistischerer Anwärter auf den Pokal.
Mein Schlussgedanke, einmal in unzensiertem Klartext ausgedrückt: scheiss drauf, auf welchem Platz du beim Rennen landest - eine Competition ohne kaputte Boote und ein paar richtig spannende Rennen ohne Flip-Unterbrechungen sind 100 mal mehr wert und bringen 100 mal mehr Spass als jeder zusätzliche km/h Topspeed! Dabei sein ist alles, der "Sieg" ist völlig nebensächlich und eh nicht durch Topspeed erzielbar.
"Remember, people are more important than boats and motors. Live like you're in a race to make and keep the most friends."