"Irgend eine Sitzgelegenheit"... das steht auch noch auf der Workshop-To-Do-Liste. Da die Natur mich mit einer gewissen pragmatischen Faulheit gesegnet hat (ich nenne das "Lösungsorientiertheit"), habe ich da auch gleich eine schnelle Lösung gefunden:
klick... und fertig ist der Stuhl!
Tja. Da hatte ich aber leider die Rechnung ohne den alten Dean gemacht.
"Fifteen Bucks... bist du denn wahnsinnig? Da hole ich mir doch lieber irgend einen alten Schemel vom Dachboden! Das Geld können wir besser in eine Quicksilver Lower Unit oder ein schönes Röhrenradio investieren."
Zum besseren Verständnis dieser Aufregung muss erwähnt werden, dass 15 € (inflationsbereinigt) Mitte der 50er Jahre fast dem Gegenwert eines flammneuen Mercury 20H entsprechen. Also: no deal! Aber bei den Worten
"irgend ein alter Schemel" klingelt etwas in meinem Kopf: so etwas in der Art steht doch bei Anja am Schreibtisch. Also fix ins Nebenimmer, ausmessen, aufzeichnen.
Vom Bau der Hobelbank liegt hier noch eine 30x5mm Leiste rum, daraus werden die 4 Beine und der vierteilige Rahmen der Sitzfläche ausgesägt. Die vordere Querstrebe ist eine 3x5-Leiste, die sechs seitlichen / hinteren Querstreben sind aus 4mm Buchenrundholz (einfach in die Handbohrmaschne eingespannt und gedrechselt). Für die gebogenen Rücklehnen werden drei Lagen 0,6er FSH zu einer ausgerundeten Platte formverleimt (ein Marmeladenglas hatte den passenden Durchmesser). Erst nachdem dieses Sandwich getrocknet ist, werden die drei Lehnenteile ausgesägt. Die Sitzfläche selber besteht aus 1mm FSH.
Alle Teile werden wieder miteinander verzapft. Und dann kommt das dicke Problem: nirgends ein rechter Winkel. Wie soll man jetzt diese 19 Holzteile so ausrichten, dass daraus ein ebener, nicht kippelnder Stuhl entsteht? Alles verschiebt sich gegeneinander, keinerlei Fix- / Bezugspunkte. Irgendwie bekomme ich plötzlich massive Hochachtung vor den alten Möbeltischlern, die sowas jeden Tag gemacht haben... mir war nicht bewusst, wie komplex so ein simpler Stuhl ist. Nach einem kläglich gescheiterten Steckversuch kommt die Erkenntnis: ohne Lehre gibt das nix. Also lieber schnell aus Abfällen eine primitive Haltevorrichtung zusammengeklebt, die die Stuhlbeine in allen drei Raumachsen im richtigen Winkel fixiert. Damit kann der Rahmen dann auch verzugsfrei verleimt werden:
Durch die Verzapfungen geht der Rest dann ziemlich zügig. Aber irgendwie gefiel mir das Ergebnis noch nicht richtig: das sah trotz gutem Beizton alles noch zu "neu" aus. Mit schnödem Schleifpapier werden erstmal ein paar gezielte Scheuerspuren hinterlassen. Nach kritischer Begutachtung des Nebenzimmer-Originals durfte dann eine Nadelfeile Holzwurm spielen. In die Vertiefungen lasse ich dunkelgraue Beize laufen, die an der Oberfläche direkt wieder abgewischt wird - das bringt den gewünschten Kontrast in die Löcher.
Glücklicherweise haben wir vorgestern gegrillt (und den Grill danach natürlich nicht sauber gemacht). Ein Stück schwarze Holzkohle und ein bisschen hellgraue Asche, einmal tief Luft holen... und dann wird auf dem Stuhl richtig massiv rumgesaut. Die innere Überwindung, das jungfräuliche Stück Modellbaukunst vorsätzlich mit solchen Mitteln zu mißhandeln, ist jedesmal der schwierigste Part solcher Übungen. Zum Schluß wird das Ganze noch mit Ballistol (Waffenöl) versiegelt - und fertig ist die Laube. Pardon: der Schemel. Jetzt sieht er auch nicht mehr so sehr nach Neuware aus (Anm.: Foto = ca. Originalgröße):
(Randbemerkung: Fotos sind irgendwie "unbestechlicher" als das Auge: erst auf den Fotos habe ich bemerkt, dass die Nagelköpfe noch brüniert werden müssten, um authentisch zu wirken.)
Aber Dean hat seinen Spass: das Radio-Budget ist gerettet, er hat eine bequemere Alternative zum Kneeling Board gefunden und deklariert das Möbel sofort zu seinem zentralen Studienplatz für die nächste Ausgabe der "Boatsport":
Nur
ich habe jetzt ein Problem. Wie kriege ich den Kerl jetzt wieder in die Senkrechte? Hier wartet nämlich noch ne Menge Arbeit...