Kurz zur (sehr interessanten) Hintergrundgeschichte der Tunnels:
während Utilities, Single Steps und Dreipunkter schon lange vor dem zweiten Weltkrieg bekannt waren und aktiv in Rennen genutzt wurden, waren Tunnels in den 50ern völlige Exoten, die noch tief in der Experimentierphase steckten.
Utilities waren die Weiterentwicklungen der Flachboden-Fischerkähne der 10er-Jahre. Um mit diesen Rümpfen höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, wurde in den 20ern durch eine Stufe im Rumpfboden ihre Lauffläche (also ihr hydrodynmaischer Widerstand) verkleinert - die ersten Singlesteps waren geboren. Utilities und Singlesteps (heute auch "Conventionals" genannt) nutzen keine aerodynamischen Effekt aus, ihr Monorumpf arbeitet "rein hydrodynamisch".
In den dreissiger Jahren kamen dann die ersten Dreipunkter, die erstmals einen aerodynamischen Auftriebstunnel zwischen ihren beiden Kufen aufwiesen. Die Luft wird unter dem Rumpfboden komprimiert, das Boot reitet auf einem regelrechten Luftkissen. Damit wurde das Boot bei entsprechenden Gewchwindigkeiten noch höher aus dem Wasser gehoben und lief noch widerstandsärmer / trockener. Es befinden sich nur noch drei Punkte im Wasser: die Kufenenden und das Ende des Hecks (bei Inboardern: nur der Prop). Aufgrund ihres Doppelrumpfs (= 2 Kufen) können sich diese Boote nicht in die Kurve neigen; sie benötigen zwingend eine Turnfin am kurveninneren Kufenende.
Das Lustige ist, dass die Boote, die einene aerodynamischen Auftrieb nutzen, nicht etwa als "Aeros", sondern als "Hydros" bezeichnet wurden. Wenn der gestaute Luftdruck unter dem Boot bei hohen Geschwindigkeiten zu groß wird, hebt das Boot vom Wasser ab und es kommt zu dem gefürchteten "Backflip" (Salto rückwärts).
Anfang der 50er kam man auf die Idee, die Kufen der Dreipunkter bis zum Heck zu verlängern. Damit sollte das Luftkissen - ergo der aerodynamische Auftrieb - weiter vergrössert werden nd die Luft länger unter dem Rumpf "gefangen gehalten" werden. Beim Dreipunkter fliesst die Luft hinter den Kufenenden seitlich ab, das Rumpfende wird nur durch den Proplift angehoben, aber nicht durch Staudruck. (Anm.: einige Dreipunkter bauten so genannte "Air Traps" hinter die Kufen, die die Luft weiter nach hinten führten und somit zum Heckauftrieb beitrugen). Bei den Tunnels "reitet" der gesamte Rumpfboden bis zum Heck auf diesem Luftkissen. Erst hinter dem Transom kann die komprimierte Luft den Rumpfboden verlassen.
Ein Outboard-Tunnel wurde erstmals in der
"Speed & Spray" No.3 (August 1952, S. 18 ff.) vorgestellt. Ein weiterer Artikel folgte in der
"Boat Sport" No. 14 (August 1954, S. 12 ff.). Die beiden Originalartikel sind in unserer Racing-Bibliothek nachzulesen.
Auch lustig: der Begriff "Tunnel" war noch nichct erfunden, man bezeichnete diese Boote hilfsweise als "four point hydros". Im Grunde ist dieser Begriff unsinnig, da die Boote nicht auf vier Punkten laufen, sondern auf zwei Flächen.
Tunnels wurden in den Stock- und Racing Outboard-Klassen nie eingesetzt. Erst in den 60er Jahren, als die neuen OPC-Klassen (Outboard Pleasure Craft) mit ihren riesigen Motoren eingeführt wurden und GFK als Baumaterial aufkam, trat der Tunnel seinen Siegeszug an. Diese Rumpfform konnte hohe Motorleistungen (ergo hohe Geschwindigkeiten) noch besser umsetzen als Dreipunkter. Tunnels und Katamarane sind bis heute die bevorzugte Rumpfform bei den schnellsten Booten (Formel 1 und Unlimited-Klassen).