Keine neue Idee: eigentlich sollte man jedes Boot zweimal bauen. Den Gedanken hatte wohl jeder von uns irgendwann schon mal. Bei mir betrifft es die "Miss Atomite", sozusagen die "Ur-VO", mit der vor 8 Jahren alles begann. Heute würde ich da einiges anders machen. Dass meine Prototyp-Atomite seinerzeit nur aus billigem Pappelsperrholz gebaut wurde ("nur mal zum Testen"), liefert ein weiteres Argument für einen Neubau. Die Atomite ist weder besonders schnell noch besonders wendig, da gibt es deutlich potentere Kandidaten. Aber für ihre geringe Größe läuft sie sehr schön (eine Skua hat da wesentlich mehr Probleme). Und vor allem: die markante Heckflossen-Optik macht sie in meinen Augen bis heute zu einem der formschönsten VO-Racer.
Ach ja, da fällt mir ein: um die Atomite geht es bei diesem Thema ja gar nicht. Oder nur am Rande. Denn wir sind ja bei den Außenbordern. Und nichts passt optisch besser an den knackigen Atomite-Heckflossen-Arsch als ein 1938er Waterwitch mit seinen beiden stromlinienförmigen Tropfentanks.
Falls jetzt beim geneigten Leser die Frage aufkommt: "Ist der Kerl bekloppt? Der sollte es doch besser wissen!", dann kann ich nur demütig zustimmen. Ganz klar: der Waterwitch war NIE ein Rennmotor, ganz im Gegenteil. Das war eine kleine, einzylindrige "fishing engine". Die stärkste je gebaute Version lieferte gerade mal gute 5 PS Leistung, damit käme die originale Atomite kaum ins Gleiten. Aber dieser Antrieb war eine Design-Ikone ohne Gleichen, kein halbverkleideter Außenborder der folgenden 70 Jahre war schöner. Und überhaupt, apropos halbverkleidet: ich mag keine vollverkleideten Motoren, bei denen man "nur" die Haube sieht, ich möchte archaische Technik und ölverschmierte Zylinderköpfe sehen. Darum muss es der Waterwich sein. Und das ist ja das Schöne am Modellbau: wir kriegen (BL-sei-Dank) genug Leistung in die Motor-Attrappen gesteckt, um die Modelle zum Fliegen zu bringen. Auch wenn es historisch nicht korrekt ist.
(originaler Sears Waterwitch aus der Sammlung von Mark Suter, USA)
Vor einigen Jahren gab es bereits einen Versuch, den Waterwitch ins Modell umzusetzen. Seinerzeit hatte ein geschätztes Mitglied unserer Gemeinde den Motor als Übung genutzt, um sich in das 3D-CAD einzulernen. Ein verdammt hoch gestecktes Ziel für den CAD-Einstieg, denn der Waterwitch ist für den entnervten CAD-Konstrukteur eher eine Water-Bitch: nur Rundungen, Wölbungen und organische Formen, keine klaren Bezugskanten, keine rechten Winkel, alles fliesst ineinander über. Dem Ulmo ist das seinerzeit erstaunlich gut gelungen, Hut ab. Die Datei wurde dann an einen Dienstleister durchgereicht und wurde das erste 152VO-3D-Druckteil.
(Waterwitch Rev 1.0, eine CAD-Übung von Ulmo. Eigenes Foto.)
Einen dieser 3D-Drucke habe ich mir damals gekauft, aber nie verwendet. Der ganze Motor war in einem Teil gedruckt, daher kaum vernünftig zu verschleifen, an einzelne Ecken kam man gar nicht dran. Zudem war der Druck - wenn ich das ungestraft anmerken darf - qualitativ wirklich schlecht, die Drucktechnik ist mittlerweile erheblich weiter. Das kann man heute wesentlich besser machen. Auch die Größe stimmte nicht so richtig im Maßstab. Und schliesslich: der Zylinder und das Kurbelgehäuse (also die eigentliche
Technik) waren im ersten CAD-Entwurf lediglich schemenhaft angedeutet, eher wie eine Skizze. Und wie schon angemerkt: gerade dieser Teil interessiert mich ganz besonders. Deshalb: Rev 2.0. Auf ein Neues.
Ich will ehrlich sein: trotz mittlerweie 22 Jahren Übung im 3D-CAD (ist das wirklich schon soo lange?) hatte ich vor der Umsetzung dieses kleinen Motörchens ganz gehörig Respekt. Und tatsächlich bin ich bei diesem Projekt bei einigen Details immer wieder an die Grenzen meiner Fähigkeiten gestossen. Nach fast zwei Jahrzehnten habe ich erstmals das aktuelle Benutzerhandbuch runtergeladen und tatsächlich ein paar neue Software-Funktionen und Tricks gefunden. Denn wenn man sowas schon zum zweiten Mal anfängt, dann soll das Ergebnis so kompromißlos wie möglich ausfallen.
Der erste (und eigentlich auch letzte) Kompromiss betrifft den verbauten BL: der passt nicht in das maßstabsgetreue Kurbelgehäuse. Ein komplett "eingepackter", im 3D-Druck versteckter Motor macht das Kurbelgehäuse VIEL zu groß. Da braucht man ja zusätzlich auch noch Sicherheitsabstände zum schnell rotierenden Motor - nein, das haut alles nicht wirklich hin, da kommt etwas "Fremdes" bei raus. An der Stelle hätzte ich fast aufgegeben. Bis der Knoten eines Nachts geplatzt ist: warum denn überhaupt ein neues Kurbelgehäuse
um den Motor herum aufbauen? Warum nicht den vorhandenen BL-Motor als Kurbelgehäuse nutzen? Nicht verstecken, sondern in die Attrappe integrieren? Der BL
ist das Kurbelgehäuse, das nur noch um die originalen Kühlrippen ergänzt werden muss.
Von der zündenden Idee bis zur Realisierung war des dann doch noch ein verdammt langer Weg. Denn: wie befestigt man die "fliegende" Attrappe an einer schnell rotierenden Outrunner-Glocke? Kompromiss Nummer 2: unterhalb der Kühlrippen muss eine (möglichst unauffällige / filigrane) Verbindung zum TFL-Unterteil geschaffen werden. Also erstmal den TFL so exakt wie möglich ausmessen und in 3D nachkonstruieren. Damit konnte ich dann millimetergenau Attrappe und Unterteil aufeinander abstimmen und Befestigungspunkte schaffen.
Und schliesslich Kompromiss Nummer 3: zugunsten der erheblich verbesserten Modell-Optik werden dem TFL die Nippel der Wasserkühlung amputiert. Meine Überlegung (oder Hoffnung?): warum muss das Motorschild nochmal separat gekühlt werden, wenn der Motor a) fast komplett frei im Wind rotiert und b) das TFL-Unterteil eh im Wasser sitzt? Alu ist ja ein verdammt guter Wärmeleiter, ist da eine Zusatzkühlung an der Motorplatte überhaupt noch notwendig? Der Waterwitch sollte eh in einem zahmeren Cottage-Racer-Setup gefahren werden, der passt nicht an einen "Competitive Racer".
Hat einer von euch praktische Erfahrungen mit einem
ungekühlten BL-Outrunner am TFL? Also mit einem Motor, dessen Abwärme
NICHT über die TFL-Kühlnippel abgeführt wird?
Zum Schluss nochmal der Direktvergleich von Original und Fälschung. Durch den etwas größeren Durchmesser des Kurbelgehäuses (= BL-Motors) wurde der Fuß des Zylinders zwangsläufig ebenfalls etwas kürzer, aber der liegt eh kaum Sichtbar im Verborgenen. Das war's dann aber aucch mit den Kompromissen.
Soweit bin ich ganz zufrieden. Jetzt kommt aber der echte Knackpunkt: das ist ja nur ein CAD-Modell, Pixel sind genauso geduldig wie Papier. Aber wie kriege ich das Ganze jetzt vernünftig realisiert? Was wird gedruckt, was wird gefräst? Überhaupt: wie teile ich den Druck auf? Und welche Teile werden nicht gedruckt, sondern separat angesetzt? Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Nur die bisher noch fehlenden Decals... die sind harmlos.