Die Rennklassen: was bedeutet eigentlich "AU" oder "DSH"?

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» Rennklassen-Übersicht 1953
» Einteilung nach Motorbauart
» Einteilung nach Hubraum-Grösse
» Einteilung nach Rumpfform

Wenn man sich zum ersten Mal mit den verschiedenen US-amerikanischen Outboard-Rennklassen beschäftigt, scheint dort ein heilloses Durcheinander zu existieren: zwei verschiedene Dachverbände (APBA und NOA) mit eigenen Klassenregeln und eigenen Klassen, Unterscheidung nach Motorenart (Racing Outboards oder Stock Outboards), nach Motorengröße (Hubraum-Klassen) sowie nach Bootsform (Hydro oder Utilities). Und als ob die Verwirrung damit noch nicht komplett wäre, werden diese Klassen auch noch alle paar Jahre umbenannt - oder die Klassenregeln geändert.

Tatsächlich existieren in den USA Mitte der 50er Jahre über 25 verschiedene Outboard-Rennklassen. Ein genauerer Blick zeigt dann aber recht bald: alles halb so schlimm, wie es zuerst aussieht! Trotzdem könnte man mit einer exakten Abhandlung über die verschiedenen Rennklassen und -regeln von 1924 bis heute ein ganzes Buch füllen. Deshalb wollen wir uns im Folgenden auf den Zeitraum konzentrieren, der uns am meisten interessiert: auf die Mitte der 50er Jahre. Die meisten der folgenden Angaben stammen aus der 1953er Ausgabe des » APBA Year Book.

 

Rennklassen-Übersicht APBA 1953

1953 wurden bei der APBA (American Power Boat Associtation) Outboardrennen in folgenden Klassen gefahren:

a) Racing Outboards ("Alkie"-Klassen):

Class Motor Rumpf Leergewicht(1) Renngewicht(2) Alter des Piloten
M (= Midget) bis 7.5 ci (3) Hydro 75 lbs 200 lbs (keine Beschränkung)
A
bis 15 ci (3) Hydro 100 lbs 250 lbs min. 12 Jahre
B
bis 20 ci (3) Hydro 100 lbs 265 lbs min. 14 Jahre
C
bis 30 ci (3) Hydro 150 lbs 315 lbs min. 14 Jahre
C Service
bis 30 ci (4) Hydro 150 lbs 315 lbs min. 14 Jahre
F
bis 60 ci (3) Hydro 160 lbs 335 lbs min. 14 Jahre
C Service Runabout
bis 30 ci (4) Runabout 200 / 225 lbs (5) 500 lbs min. 14 Jahre
C Racing Runabout bis 30 ci (3) Runabout 200 / 225 lbs (5) 500 lbs min. 14 Jahre
F Racing Runabout bis 60 ci (3) Runabout 225 / 275 lbs (5) 725 lbs (6) min. 14 Jahre

Anmerkungen:

(1) minimales Leergewicht inkl. permanent befestigter Hardware wie Lenkrad, Handgashebel, Tragegriffe, aber ohne Motor, Tank, Feuerlöscher, Sprit und Öl
(2) minimales Renngewicht inkl. Motor, Fahrer, allem Equipment, aber ohne Helm, Schwimmweste, Sprit und Öl
(3) die Motoren müssen vom Hersteller als spezielle "Rennmotoren" abgeboten werden und in mind. 25 Exemplaren gebaut worden sein. Weitgehende Tuning-Modifikationen sind erlaubt.
(4) die Motoren der "Service"-Klassen müssen vom Hersteller als normale "Servicemotoren" angeboten werden und in mind. 250 Exemplaren gebaut worden sein. Nur geringe Modifikationen sind erlaubt (z.B. das Abnehmen des Auspufftopfes).
(5) ohne Tank / mit externem Tank
(6) in der Regel sind F Racing Runabouts mit 2 Personen besetzt (1 Fahrer, 1 Mechaniker)


b) Stock Outboards:

Class Motor Rumpf Länge(1) Breite(2) Rumpfgewicht(3) Gesamtgewicht(4) Alter des Piloten
JU (= Junior)
bis 7.5 ci
Utility 9' 40''
75 lbs 190 lbs min. 12 / max. 16 Jahre
AU
bis 15 ci Utility 10'
44'' 105 lbs 230 lbs min. 12 Jahre
BU
bis 20 ci Utility 10' 44'' 140 lbs 275 lbs min. 14 Jahre
CU
bis 30 ci Utility 12'
48'' 210 lbs 355 lbs min. 14 Jahre
DU
bis 40 ci
Utility 13'
48''
280 lbs 435 lbs min. 14 Jahre
EU
bis 50 ci Utility 13' 48'' 300 lbs 465 lbs min. 14 Jahre
FU
bis 60 ci Utility 13'-6'' 50'' 350 lbs
525 lbs min. 14 Jahre
ASH
bis 15 ci Hydro
- -
100 lbs 250 lbs min. 14 Jahre
BSH bis 20 ci Hydro -
-
100 lbs 265 lbs min. 14 Jahre
DSH bis 40 ci Hydro -
-
150 lbs 315 lbs min. 14 Jahre

Anmerkungen:

(1) minimale Rumpflänge ohne Motor
(2) minimale Rumpfbreite an der breitesten Stelle
(3) minimales Rumfgewicht inkl. permanent befestigter Hardware wie Steuer, Gashebel, Tank, Griffe, aber ohne Motor und Fahrer
(4) minimales Gesamtgewicht inkl. Fahrer, aber ohne Motor, Öl, Sprit, Helm, Schwimmweste

 

Einteilung nach Motorbauart: Racing Outboard- und Stock Outboard-Klassen

Wie wir bereits in der » Motoren-Rubrik erfahren haben, wird erst einmal grundsätzlich zwischen zwei Motorenbauarten unterschieden: die hochgezüchteten » Racing Outboards oder "Alkies", die speziell für den Renneinsatz gebaut und mit Alkohol betrieben werden, sowie die » Stock Outboards, bei denen es sich um serienmässige "Alltagsmotoren" handelt, die ab Werk mit speziellen Lower Units ausgerüstet sind und mit normalem 2-Takt-Gemisch gefahren werden.

Bei der APBA werden die beiden unterschiedlichen Motorbauarten in Racing-Outboard-Klassen und Stock-Outboard Klassen eingeteilt. Stock-Motoren, die auf Alkoholverbrennung umgerüstet sind, gehören zu den "Modified"-Klassen.

Bei der NOA sind dagegen die einzelnen Rennklassen je nach Motorbauart vier verschiedenen "Divisions" zugeordnet: Division I = Racing Outboards, Division II = ???, Division III = Stock Outboard Racing, Division IV = Modified Stock. 

Die professionellen Racing Outboard-Klassen existieren bereits seit den 20er Jahren. Die Stock-Outboard-Klassen kommen erst Anfang der 50er dazu und lösen einen Massenboom aus. In den Racing Outboard-Klassen wird um Geldpreise gefahren, ein Startgeld für die Fahrer ist nicht üblich. Die Racing-Outboard-Fahrer beherrschen eine sehr "scharfe" Fahrtechnik und müssen gute Mechaniker sein, um ihre empfindlichen Aggregate zu tunen und zu warten.

Ein Hobbyfahrer hat in dieser Profi-Liga kaum eine Chance. Die speziellen Stock Outboard-Klassen bieten dem Nachwuchs deutlich leichtere Einstiegsmöglichkeiten. Die Fahrer benötigen keine besonderen mechanischen Kenntnisse, denn die Stock-Motoren dürfen eh nicht verändert werden. Auch bei den Organisatoren sind die Stock-Klassen beliebter, denn sie lassen sich erheblich preiswerter organisieren. Stock-Fahrer müssen ein Startgeld entrichten; dem Sieger winkt ein Pokal oder eine Urkunde. Später kommen auch Sachpreise dazu.

Aufgrund dieser strikten Trennung ist unsere nachfolgende Rennklassen-Beschreibung ebenfalls in Racing-Outboard-Klassen und Stock-Outboard-Klassen unterteilt.

 

Einteilung nach Hubraum-Größe

Sowohl bei den Racing-Outboards als auch bei den Stock-Outboards werden die Rennklassen nach Hubraum-Größe der Motoren unterteilt. Innerhalb einer Klasse treten also nur Boote mit gleichgroßen (bzw. ähnlich großen) Motoren gegeneinander an.

Die Staffelung der Racing Outboard-Rennklassen nach Hubraumgröße ist bei beiden Dachverbändern (NOA und APBA) identisch:

Da in den 50er Jahren keine Rennmotoren mit 30 bis 50 ci Hubraum gebaut werden, entfällt bei den Racing Outboards die D- und E-Klasse. Stattdessen werden die ursprünglichen Klassen E und F zur neuen "Class F (40 - 60 ci)" zusammen gefasst. Die "Class X (Unlimited)" für Motoren über 60 ci Hubraum wurde eingerichtet, damit US-Amerikaner an internationalen Wettbewerben teilnehmen können. Auf nationaler Ebene werden in dieser Klasse nur sehr selten Wettbewerbe ausgetragen. Rekordlisten in der Class X werden bei der APBA nicht geführt.

Bei den Stock Outboard-Rennklassen spielen Mercury-Motoren eine dominante Rolle. Carl Kiekhaefer, Gründer der Firma Mercury, arbeitete von Anfang an eng mit der APBA zusammen. Im Gegenzug wurde die Staffelung der APBA-Stock-Rennklassen auf das Mercury-Lieferprogramm abgestimmt:

Den Veranstaltern stand es frei, die Klassen A und C in zwei weitere Unterkategorien aufzuteilen:

Ab Mitte der 50er Jahre entfallen die E- und F-Klassen bei den Stock Outboards. Gleichzeitig wird - speziell für die 36 ci Johnson Sea Horses und Evinrude Big Twins - die neue "Class 36" eingerichtet. Diese Motoren hätten eigentlich in den D-Klassen eingereiht werden müssen. Dort waren sie jedoch aufgrund ihres geringeren Hubraums gegen die 40ci-Mercurys chancenlos. Die neue Einteilung der Stock Outboard Rennklassen sieht nun so aus:

 

Einteilung nach Rumpfform

Die Stock Outboard-Rennklassen der APBA unterscheiden zwischen ungestuften und gestuften Bootsrümpfen. Die ungestuften Rümpfe (Flatbottoms) werden als "Utilities" (= Mehrzweckboote) bezeichnet und fahren in den Rennklassen mit dem Kürzel "-U" (Class JU bis DU). Die gestuften Rümpfe, also die Single Steps und Dreipunkter, werden als "Stock Hydros" bezeichnet und fahren in den Rennklassen mit dem Kürzel "-SH" (Class JSH bis DSH). Utilities und Hydros treten also nie in einem gemeinsamen Rennen gegeneinander an.

Die Racing Outboard-Rennklassen unterscheiden ebenfalls nach ungestuften und gestuften Rümpfen. In den Racing Outboard-Klassen werden die gestuften Rümpfe auch als "Hydros" bezeichnet, die ungestuften jedoch nicht als Utilities, sondern als "Runabouts".

In den Racing Outboard-Klassen M, A und B gibt es keine Rennen für Runabouts. Die so genannten "Service"-Motoren in den Klassen "C Service Hydro" und "C Service Runabout" sind serienmässige Motoren, von denen mindestens 250 Stück gleicher Bauart hergestellt worden sind. Bei den Rennmotoren ist eine hergestellte Mindeststückzahl von 25 erforderlich. Die Festlegung, welcher Motortyp als "Racing"- oder "Service"-Typ eingestuft wird, erfolgt durch die "Outboard Racing Commission" der APBA.

Die Service-Motoren der Racing Outboard-Klassen könnten den Gedanken nahelegen, dass es in dieser Profi-Liga bereits so etwas wie einen "Stock"-Gedanken gegeben hat, lange bevor die "Stock Outboard"-Klassen eingeführt wurden. Das ist jedoch nicht der Fall: die Service-Motoren wurden genauso mit Alkohol betrieben wie die reinen Rennmotoren. Sie wurden lediglich nicht als spezielle Rennmotoren hergestellt und auch vom Hersteller nicht als solche deklariert. Auch gewisse leistungssteigernde Modifikationen z.B. an Auspuff und Vergaser waren zulässig; allerdings waren diese Änderungen deutlich strenger reglementiert als bei den Rennmotoren.